Wenn Nachhaltigkeit auf Kultur trifft
Nachhaltigkeit ist kein Modethema, sondern eine zentrale Zukunftsfrage für unsere Gesellschaft – und damit auch für Organisationen. Doch der Umgang damit fällt sehr unterschiedlich aus: Manche Organisationen handeln (noch) gar nicht, andere aus regulatorischem Druck und wieder andere aus Überzeugung.
Die Frage ist: Wird Nachhaltigkeit zur Pflichtübung – oder zu einem inneren Prozess?
Wer seine Organisation – und damit auch die Gesellschaft – stärken und widerstandsfähiger machen möchte, findet in der Unternehmens- und Organisationsentwicklung den entscheidenden Unterschied. Wenn der Nachhaltigkeitsbericht das Ergebnis eines solchen Entwicklungsprozesses ist, wächst das Unternehmen daran.
Weil Organisationsentwicklung den Unterschied macht
Unternehmens- und Organisationsentwicklung bedeutet, die Organisation in ihrer Gesamtheit zu betrachten. Sie fragt danach, wie Ausrichtung, Strukturen und Menschen zusammenspielen und so einen Rahmen schaffen, in dem Nachhaltigkeit Wirkung entfalten kann.
Im Zusammenspiel aus orientierungsgebenden Perspektiven, Verbindlichkeit schaffenden Strukturen und Menschen entsteht die Kultur einer Organisation - und sie entscheidet, ob Nachhaltigkeit tatsächlich Wirkung entfaltet.
Kulturentwicklung als zentraler Hebel für Nachhaltigkeit
Kultur ist das unsichtbare Geflecht einer Organisation – Routinen, Gewohnheiten und stillschweigende Annahmen. Gerade weil sie informell wirkt, prägt sie den Alltag oft stärker als Strategien oder Strukturen. Sie ist mächtig und zugleich schwer gestalt- und veränderbar. Appelle und Berichte reichen nicht aus, um Verhaltensmuster dauerhaft zu verändern. Man kann sie nicht direkt steuern oder verordnen.
Der Hebel liegt deshalb im Umweg über die Formalstruktur: in Entscheidungen, Rollen, Prozessen und Kommunikationen. Diese sind gestaltbar und dort, wo Orientierung, Verantwortlichkeiten und Befähigung klar geregelt sind, verändern sich auch Routinen – und damit die Kultur.
Dialogräume als Brücke zwischen Struktur und Kultur
Dialog- und Reflexionsräume bilden das Herzstück der (Kultur-)Veränderung. Sie sind Voraussetzung dafür, dass formale Strukturen wirken und nicht einfach ignoriert werden. Im gemeinsamen Aushandlungsprozess werden Fragen gestellt, unterschiedliche Perspektiven gehört und gemeinsame Antworten entwickelt. So bildet sich ein gemeinsames Verständnis und es entsteht Kommittent und Verbindlichkeit.
Genau hier bekommt Nachhaltigkeit Bedeutung – im Dialog, im Miteinander und in den Entscheidungen, die daraus folgen. So wird sie von einer externen Anforderung zu einem inneren Gestaltungsprinzip, das Organisationen stärkt und eine nachhaltige Zukunft eröffnet.
Praxisbeispiel: Der Nachhaltigkeitsbericht
Wie sich diese Zusammenhänge in der Praxis zeigen, lässt sich gut am Nachhaltigkeitsbericht verdeutlichen. Er ist wie ein Schaufenster: Er zeigt, wie sich eine Organisation nach außen präsentieren will. Doch entscheidend ist, was im Inneren passiert – ob das, was im Schaufenster glänzt, auch im Laden dahinter zu finden ist.
Außenbild und Alltag müssen übereinstimmen. Wenn im Bericht Werte wie Verantwortung und Transparenz versprochen werden, aber in Meetings Entscheidungen im Widerspruch dazu fallen, verliert er seine Glaubwürdigkeit.
Kultur zeigt sich im Detail. Wird in der Organisation selbstverständlich auf Dienstreisen verzichtet, wenn ein Online-Meeting reicht? Wird im Projektteam nachgefragt, ob ökologische Auswirkungen berücksichtigt sind? Solche Routinen sagen mehr über Nachhaltigkeit als jede Hochglanzbroschüre.
Formale Strukturen geben den Rahmen. Ziele, Zuständigkeiten oder Kultur entscheiden, ob nachhaltiges Handeln belohnt oder ausgebremst wird.
Wirkungs-Check für die Kultur hinter dem Bericht:
Erzählt unser Bericht nur Geschichten – oder spiegeln sich diese in Entscheidungen und Alltagspraktiken?
Welche Routinen stärken das, was wir nach außen versprechen?
Wo klafft noch eine Lücke zwischen Anspruch und gelebter Kultur?
So wird der Nachhaltigkeitsbericht zum Kulturspiegel – und zeigt, ob Nachhaltigkeit in der Organisation wirklich Wurzeln geschlagen hat. Ob er als Instrument für Zukunftsfähigkeit Einzug gehalten hat.
Literatur
Edgar H. Schein (2010): Organisationskultur und Leadership. Schäffer-Poeschel, Stuttgart.
Niklas Luhmann (2000): Organisation und Entscheidung. Westdeutscher Verlag, Opladen.
Boos, Mitterer (2014): Sinn steuert. Über die Rolle von Entscheidungsprämissen in Organisationen. In: changeX.